1.1   

Eine Kurzbeschreibung der Wertanalyse nach ÖNORM A 6750

Die WA wurde Ende der 40er Jahre von MILES [1] als systematisches und praktikables Verfahren entwickelt, wobei "viele seiner Grundgedanken, so insbesondere der entscheidungsorientierte Ablauf, die Funktionsanalyse, die heuristischen Prinzipien der Kreativitätsförderung und die Methoden des Alternativenvergleichs ... schon vorher angewandt (wurden)." [2]

Die Methode wurde seither weiterentwickelt und verfeinert. Nach ÖNORM A 6750 handelt es sich um eine "Methode zum systematischen Untersuchen von Funktionsstrukturen mit dem Ziel einer Wertsteigerung für den Hersteller, den Anwender und/oder die Allgemeinheit", [3] wobei unter Wert das "Ausmaß der Fähigkeit eines WA-Objektes" (verstanden wird,) "durch Nutzenstiftung ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen." [4]

Die Wertsteigerung wird bei der Wertgestaltung (WG) durch Schaffung, bei der Wertverbesserung (WV) durch Veränderung der wertbestimmenden Faktoren (Funktionen, Kosten) eines WA-Objekts erreicht. Dabei wird unter Wertgestaltung eine WA verstanden, die schon in der Konzeptions- und/oder Planungsphase eines WA-Objekts verwendet wird. Bei der Wertverbesserung hingegen wird die WA auf eine bereits bestehendes WA-Objekt angewendet.

Das WA-Objekt als Gegenstand einer WA-Arbeit kann ein Erzeugnis, eine Dienstleistung, eine Herstellungsweise, ein Produktionsmittel, eine einzelne Tätigkeit oder eine Tätigkeitsfolge, ein Hilfsmittel, eine Konzeption u.a. sein. [5]

Als wesentliche Grundsätze der Wertanalyse gelten: [6]

Funktionen Funktionsorientiertes Arbeiten,
ganzheitliche Betrachtungsweise ganzheitliche Betrachtungsweise durch Berücksichtigung der relevanten Wechselwirkungen und erforderlichen Informationen,
Einflüsse Eingehen auf vielschichtige und/oder voneinander differenzierte Einflußgrößen,
anwendungsneutraler Einsatz anwendungsneutraler Einsatz,
Zielvorgaben Orientierung an einer möglichst definierten und quantifizierten Aufgabe und/oder Zielvorgabe,
Projektarbeit eigenständige, unabhängig von der Organisationsform des Unternehmens durchgeführte Projektarbeit,
interdisziplinäre Gruppenarbeit interdisziplinäre, fortschrittsorientierte, nach einem Arbeitsplan ausgerichtete Gruppenarbeit, die sich an einem herzustellenden Informationsgleichstand orientieren soll,
Kreativitätstechniken Lösungssuche mit systematischer Anwendung von Regeln für schöpferisches Arbeiten und
Menschliche Eigenarten Eingehen auf menschliche Eigenarten.

Diese Kurzbeschreibung wurde nach dem Entwurf zur Neufassung der Norm zusammengestellt, da sie inhaltlich der Ausgabe von 1975 im wesentlichen entspricht und die WA entsprechend inzwischen gewonnener Erkenntnisse nur umfassender beschreibt.

Bedeutender sind hingegen die Unterschiede zwischen den beiden Arbeitsplänen. Da dieser Arbeit einerseits noch der Arbeitsplan in der Fassung von 1975 zugrunde liegt, [7] andererseits die Fassung von 1983 für den Leser von besonderem Interesse sein wird, sind einander die beiden Arbeitspläne in Abb.1.1 gegenübergestellt.

Wertanalyse Arbeitspläne im Vergleich - vergrössern

Abb.1.1: Gegenüberstellung der WA-Arbeitspläne nach ÖNORM A 6750 aus den Jahren 1975 und 1983 (Quellen: ON 1975, S.2 u. ON 1983, S.9-10, Darst. v. Autor)
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Hervorzuheben sind bei der Fassung von 1983

Grob- und Detailziele die nun explizite Trennung zwischen Grob- und Detailzielen,
IST- und SOLL-Zustand die getrennte Darstellung von IST- und SOLL-Zustand und
Beurteilungsbedingungen die bereits in GS3/TS3 festzulegenden Beurteilungsbedingungen für die erst in GS4 zu findenden Lösungsmöglichkeiten.

Diese drei Veränderungen im Arbeitsplan beruhen neben den übrigen auf in den letzten Jahren von WA-Praktikern gesammelten Erfahrungen und Anregungen und bedeuten einen weiteren Schritt in Richtung Praxisgerechtigkeit und Weiterentwicklung der WA.

Besonders bei der Schulung und Einführung der WA in einem Unternehmen hatten die Nutzer des "alten" WA-Arbeitsplans öfters Schwierigkeiten. Sie mußten einzelne Schritte wie die Darstellung des SOLL-Zustands oder die Aufgabenstellung für die kreative Phase selbst ergänzen und begründen.

Der WA-Arbeitsplan wurde bereits mehrmals anderen Abläufen gegenübergestellt, wie Vorgehensweisen der Konstruktionssystematik, [8] Problemlösungs-Vorgehensmodellen, [9] dem Systems Engineering, dem Innovationsprozeß, der REFA-6-Stufen-Methode und den WA-Abläufen verschiedener Autoren, [10] da selbst der Ablauf der WA unterschiedlich gegliedert wird.

Aber auch das, was unter einer WA verstanden wird, ist nicht einheitlich. So hat KORTE in einer Gegenüberstellung der Typbegriffe der WA aus der umfangreich erschienenen Literatur mehrere Merkmale der WA abgeleitet und anhand dieser die Autoren entsprechend ihrer Ansichten einzelnen Merkmalskombinationen zugeordnet. [11]

Abb.1.2 zeigt die Merkmale und ihre möglichen Kombinationen. Darin ist auch das WA-Verständnis nach ÖNORM A 6750 eingetragen.

Systematik der Wertanalyse-Begriffe - vergrössern

Abb.1.2: Systematik der WA-Begriffe aufgrund einer Literaturanalyse (Quelle: KORTE 1977, S.18-24, Darst. v. Autor)
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Eine ähnliche Vielfalt und damit Uneinheitlichkeit besteht bei den der WA zurechenbaren Begriffen, die bisher nach zwei Kriterien zusammengefaßt wurden: [12]

Lebenszyklus nach dem Zeitpunkt der WA-Untersuchung hinsichtlich seiner Stellung im Lebenszyklus des WA-Objekts (z.B. value engineering, value analysis i.e.S.) und
Wertanalyse-Objekt nach der Art des WA-Objekts (z.B. value drafting, value organization).

Durch Einführung der Begriffe Basiswertanalyse (BWA) und Differenzierende WA (DWA) in jüngster Zeit, kann die Gliederung nach einem weiteren Kriterium vorgenommen werden:

Organisationsentwicklung nach der Stärke des WA-Einflusses auf das Unternehmen und seine Organisationsentwicklung.

KANIOWSKY versteht unter einer BWA jene WA-Arbeit, "die sich meist im Wertverbesserungsbereich bewegt und wo vom Ausbildungsstand aber auch von den Erfordernissen des Unternehmens her sich keine wesentliche Wirkung auf die organisatorische Entwicklung des Unternehmens ergibt. Es wird in diesem Fall die WA vordergründig sachbezogen durchgeführt und nur ein bestimmtes, beschränktes Sachergebnis erarbeitet bzw. erwartet." [13]

Im Gegensatz dazu berücksichtigt die DWA "bewußt die Einflüsse, die aus der Sozialstruktur des Unternehmens kommen und bearbeitet sie 'differenziert' ganzheitlich ... mit den Sachproblemen. Im Rahmen einer differenzierten WA werden auch Organisationsentwicklungsprozesse bewußt durchgeführt." [14] Die WA kann dadurch, neben der Wertsteigerung eines WA-Objekts, gezielt zur Verhaltensänderung bei Mitarbeitern und zur Entwicklung eines Unternehmens eingesetzt werden. [15]

Neben den in Abb.1.3 zusammengefaßten Begriffen, die alle inhaltlich durch die WA nach ÖNORM A 6750 abgedeckt werden, findet man in der Praxis und der Literatur noch weitere Bezeichnungen, die für spezielle Anwendungsbereiche der WA oder für Methoden verwendet werden, die zumindest in manchen Einzelheiten oder im Konzept Ähnlichkeiten mit der WA aufweisen. Es sind das ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Wertanalyse Arbeitspläne im Vergleich - vergrössern

Abb.1.3: Systematik von aus der WA abgeleiteten Begriffen (Quellen: s.o., Zusammenst. u. Darst. v. Autor)

AVA AVA   Administration Value Analysis, [16]
AWA AWA   Administrative Wertanalyse, [17]
EVA EVA   Energy Value Analysis, [18]
FAST FAST   Functional Analysis System Technique, [19]
FKO FKO   Funktionskosten-Optimierung, [20]
GANA GANA   Gemeinkosten-Aufwand-Nutzen-Analyse, [21]
GKA GKA   Gebrauchswert-Kosten-Analyse, [22]
GSE GSE   Gemeinkosten-Systems-Engineering, [23]
GWA GWA   Gemeinkosten-Wertanalyse, [24]
IE IE   Industrial Engineering, [25]
IPI IPI   Integrierte-Produkt-Innovation, [26]
KA KA   Konstruktions-Analyse, [27]
ORVA ORVA   Organization Value Analysis, [28]
OVA OVA   Overhead Value Analysis, [29]
PKO PKO   Produkt-Kosten-Optimierung, [30]
-   Programmwertanalyse, [31]
SPCL SPCL   Single Product Cost Leadership, [32]
-   Tätigkeitsanalyse, [33]
VAMP VAMP   Value Analysis of Management Practices, [34]
VVA VVA   Vorratsvermögensanalyse, [35]
ZZB ZZB   Zero-Base Budgeting. [36]

Weiters gibt es Ansätze, die WA mit Elementen der Konstruktionsmethodik zu verknüpfen, [37] sie als Bestandteil in ein umfassendes Konzept aufzunehmen oder sie einem solchen anzupassen.

Beispiele hiefür sind:

ILV ILV   Integrierte Leistungsverbesserung, [38]
KMmWA KMmWA   Kostenminimierung mittels Wertanalyse, [39]
-   Organisationsservice, [40]
WIN WIN   Wertanalyse-Innovationsmanagement Strategie-Programm. [41]

Die hier aufgezeigte Vielfalt an Bezeichnungen begründet die Notwendigkeit, stets zu klären, welche Methode oder welche "Art der WA" jeweils gemeint ist.

____________________

[1] vgl. MILES 1969
[2] KORTE 1977, S.7, vgl. auch STANGE 1980, S.7-11
[3] ON 1983, S.2
[4] ebd.
[5] ON 1983, S.2-3
[6] ebd. S.5
[7] vgl. Frage 8 im Fragebogen
[8] vgl. GIERSE 1981, S.172
[9] vgl. WOHINZ 1983, S.41
[10] vgl. KARL 1978, S.11
[11] vgl. KORTE 1977, S.15-28, zu einer anderen Analyse und Zuordnung der WA-Literatur zu vier Haupthypothesen nach MILES, den Voraussetzungen und der Art der funktionalen Objekterfassung vgl. LEGERET 1979, S.11-54
[12] vgl. KORTE 1977, S.28-31 u. STANGE 1980, S.31-34
[13] KANIOWSKY 1983/2, S.38
[14] KANIOWSKY 1983/2, S.39
[15] vgl. hiezu die "integrale Gruppenarbeit" in KANIOWSKY/WÜRZL 1983, S.189-196
[16] vgl. FIFIELD 1973, zit.b. WOHINZ 1983, S.31
[17] vgl. ROMNEY 1969, in SULZBACHER 1983 sind einander die GWA und die AWA nach ÖNORM A 6750 gegenübergestellt
[18] vgl. DEYHLE 1981, zit.b. WOHINZ 1983, S.31
[19] vgl. NAUMANN 1975 u. NAUMANN 1981
[20] das ist eine Methode der Knight Wegenstein AG zur Senkung der Gemeinkosten, die soweit aus N.N. 1982/2 ersichtlich, starke Ähnlichkeit mit der GWA aufweist
[21] vgl. HABERFELLNER/WITSCHI 1978
[22] vgl. MOLTRECHT u.a. 1979
[23] vgl. BOTHE 1981 u. BOTHE 1982
[24] vgl. ROEVER 1980, ROEVER 1982 u. SCHWARZ 1983, in SULZBACHER 1983 sind einander die GWA und die AWA nach ÖNORM A 6750 gegenübergestellt, zwei Erfahrungsberichte über die GWA aus letzter Zeit: KRAMP 1982 u. MEYER/ERBACHER 1983
[25] vgl. KUNERTH/PIETRZAK 1980
[26] vgl. HÜBNER u.a. 1980, S.39-58
[27] vgl. HABLITZER/SANDER 1977, S.169-176
[28] vgl. PHILIPS 1980, zit.b. WOHINZ 1983, S.31
[29] vgl. NEUMANN 1975 u. FRÖHLICH 1978
[30] vgl. HABLITZER/SANDER 1977, S.176-178
[31] vgl. BLENDSTRUP 1982
[32] vgl. BARROWS 1968, zit.b. VDI 1981, S.165
[33] vgl. ENGRISER 1981
[34] vgl. RIDGE 1969, zit.b. WOHINZ 1983, S.31
[35] vgl. PERRAUDIN/ROEVER 1983
[36] vgl. MEYER-PIENING 1982, ein Erfahrungsbericht über ZBB aus letzter Zeit: MALY 1982
[37] vgl. EHRLENSPIEL 1977
[38] vgl. WELLENREUTHER 1982, S.127-173
[39] vgl. ZADERENKO 1971
[40] vgl. KUOJÄRVI CONSULTING KY 1982
[41] vgl. WOHINZ 1983, S.122-140



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